So sieht das Trainingskonzept der Eagle Academy nicht aus:
Das viertägige Streckenflugseminar wird von dem bekannten Piloten geleitet. Er hat in internationalen Wettkämpfen sehr viel Silber abgeräumt und steht regelmäßig in den Fliegerzeitschriften. Er ist mit Leib und Seele Pilot. Er träumt davon, sein 245-km-Dreieck über den Alpenhauptkamm noch zu vergrößern: wenn er hinter dem Schroffkogel voll in's Lee fliegt und die Kappe dort lange genug offen halten kann um aus dem Rotor zu kommen dann...
Er weiss sehr viel über's Streckenfliegen. Er weiss auch wie es sich anfühlt, mit einem nervösen Wettkampfproto aus einem 12-m-Bart geworfen zu werden. Und er weiss wie man den nach dem fälligen Totalzerstörer wieder zum Fliegen kriegt und den Wettkampf gewinnt.
Vor ihm sitzt der Teilnehmer. Er ist mit Leib und Seele Pilot. Er träumt davon, seinen persönlichen Rekord über 24,5 km in diesem Seminar zu verbessern. Er möchte lieber nicht wissen, wie es sich anfühlt wenn sein High-End 1-2er aus einem 6-m-Bart fällt.
Der erste Tag beginnt mit Schauern, die Kaltfront wusste nichts vom Seminartermin und ist gerade erst durchgezogen. Nachmittags Rückseitenwetter, morgen wird's super und man fängt sowieso am besten mit Theorie an. "Ihr dürft niemals voll in's Lee fliegen!"
Der zweite Tag bietet starke Bedingungen, die eingeflossene Kaltfront erwärmt sich rasch, die Bärte sind kräftig. Wir fliegen, miteinander, ein kleines 30-km-Dreieck. "Am besten startest Du in den Momenten mit leichtem Rückenwind, dann geht nämlich da vorne die Thermik ab."
Zwei Stunden später ist der letzte glücklose Rückenwindstarter aus der Fichte gepflückt und in der Luft. Der Rest der Gruppe hat im Bart über dem Gipfel "geparkt", einer steht allerdings schon am Boden. Der Seminarleiter fliegt heute extra nur mit einem 2-er, sieht den einmal schräg an und hängt schon in der Luft. Zufällig hat genau er das Glück vor dem Startplatz mit 5 m/s Richtung Stratosphäre gebeamt zu werden. 400 m über der Gruppe gibt er über Funk seine Anweisungen, auf geht's zum nächsten Bart.
Der Teilnehmer jauchzt innerlich. So, genau so hatte er sich das vorgestellt. Er setzt auch den Beschleuniger ein und erreicht als erster aus der Gruppe den nächsten Bart.
Der Seminarleiter seufzt innerlich. Nördlich und südlich vom Inntal prächtige Cumuli, heute wär's ein Kinderspiel. One Way bis Südtirol, und dann Guiseppes Grappa oder Ginas große Brüste. Er fliegt gleich zum übernächsten Bart, der ist nämlich etwas schwieriger zu finden und er möchte ihn für die Gruppe markieren.
Der Teilnehmer findet dadurch auch diesen Bart und steigt, nach einer schwierigen halben Stunde in zerrissenem Steigen, wieder zur Basis. Zwei weitere stehen am Boden. "Allmählich komme ich dahinter", freut sich der Teilnehmer und lässt sich gleich zum nächsten Bart führen. Die Thermik wird jetzt langsam schwächer, und ganz bis zur Basis geht es nicht mehr hinauf. Aber die Höhe reicht noch für eine lange, lange Gleitstrecke bis fast zum zweiten Wegpunkt. Die Wucht der Rückenwindlandung wird von dem Schlamm in dem kleinen Graben sehr gut gedämpft. 18,8 km, "eine beachtliche Leistung" funkt der Seminarleiter, aber mit leichtem Neid sieht der Teilnehmer einen anderen Piloten die ganzen 19,5 km bis zum zweiten Wegpunkt fliegen. Der Seminarleiter fliegt an der Basis entlang zum Gasthof zurück und bereitet das Debriefing vor.
Zusammenpacken, über den Zaun klettern, den Schlamm vom Stiefel kratzen, etwas Wasser aus dem Camelback, Autostop, den Zimmerschlüssel wiederfinden, Duschen, Umziehen. Die anderen sitzen schon in der gemütlichen Gaststube bei Wiener Schnitzel, Weißbier und Debriefing. Das Verhältnis zwischen Seminarleiter und Teilnehmern ist total freundschaftlich. Wir sind uns einig, dass wir heute echt viel gelernt haben.
Dritter Tag: gleich aus dem ersten Bart gefallen, 8 Weißbier.
Vierter Tag: 21,0 km trotz Kater. SMS von Gina. Was läuft falsch?